Die Industrie ist ein immer größerer Nachfrager nach hochwertigen Dienstleistungen und sie ist gleichzeitig selbst ein immer wichtigerer Produzent von Dienstleistungen. Die Digitalisierung und Vernetzung der Industrie beschleunigen diese Entwicklung. Auf die Frage, wo die ostdeutsche Industrie heute und in Zukunft steht, reicht es nicht, als Antwort allein auf die Herstellung von Produkten und Anlagen zu verweisen. Die wachsende Verzahnung von Industrie und Dienstleistungen muss unbedingt mit in den Blick genommen werden.

Industrie-Dienstleistungs-Verbund ist der produktive Kern der Wirtschaft

Industrienahe Dienstleister haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf die Bedürfnisse der Industrie spezialisiert: von der Forschung und Entwicklung, über Instandhaltung und Reparatur, IT-Services und Beratungsleistungen bis hin zu Marketing, Transport und Logistik. Eine erfolgreiche Kooperation von produzierenden Unternehmen und industrienahen Dienstleistern ist ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Und sie bietet gerade den vielen innovativen kleinen und mittleren Unternehmen ein reiches Betätigungsfeld.

Die mit der Nachfrage aus der Industrie verbundenen Dienstleistungen machen heute in Deutschland bereits ca. 8 bis 9 Prozent der gesamten Wertschöpfung aus. Nimmt man an, dass diese Größenordnung in etwa auch für die ostdeutsche Wirtschaft gilt, so umfasst der Industrie-Dienstleistungsverbund in den neuen Bundesländern zusammen mit der Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes von ca. 18 Prozent eine gesamtwirtschaftliche Leistung von knapp 27 Prozent. Dies ist der produktive industrielle Kern der ostdeutschen Wirtschaft.

Die Unternehmen der Industrie sind jedoch nicht nur Nachfrager von Dienstleistungen, sie bieten auch zunehmend produktbegleitende Dienstleistungen an. Statt ein Produkt lediglich zu verkaufen, bieten sie Schulungen und Wartungsservices bis hin zu Miet- und Nutzungsmodellen an. Aus Produktlieferanten werden Lösungsanbieter. Die Stärke der deutschen Industrie beruht unter anderem auf den zahlreichen unternehmensnahen Dienstleistungen wie Logistik, Forschung und Entwicklung, Marketing und Design. Bereits über 40 Prozent der Industriebeschäftigten in Deutschland gehen heute Dienstleistungstätigkeiten nach.

Vielfältiges Betätigungsfeld für kleine und mittlere Unternehmen

Im Bereich der industrienahen Dienstleistungen entstehen vielfältige neue Geschäftsfelder für kleine und mittlere Unternehmen. Innovative Start-ups werden hier besonders häufig gegründet. Die Branchenverteilung der Dienstleister insgesamt ist regional jedoch sehr verschieden. Während wissensintensive Dienstleistungen wie Beratung, Software-Lösungen, Design oder F&E schwerpunktmäßig in großen Städten und dem urbanen Umland zu finden sind, dominieren in der Fläche eher Anbieter traditioneller Dienstleistungen wie Transport, Vermietungen oder Reparatur. Wissensintensive Dienstleister sind in Ostdeutschland unterrepräsentiert, Berlin ausgenommen.

Intelligent vernetzt –
4. Industrielle Revolution

Wenn sich Menschen, Maschinen und industrielle Prozesse intelligent vernetzen, dann spricht man von Industrie 4.0. Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer stehen wir nun mit „intelligenten Fabriken“ vor einer neuen industriellen Revolution.

Digitalisierung und die Vernetzung der Produktion verschärfen damit den Dienstleistungstrend. Integrierte Dienstleistungen und Wertschöpfungsketten werden mit zunehmender Digitalisierung immer weiter an Bedeutung gewinnen. Der Einsatz digitaler Technologien in der Industrie wird eine Vielzahl an neuen Produktionsverfahren, Geschäftsmodellen und Produkten hervorbringen.

IT-Dienstleister treiben Entwicklung an

IT-Dienstleister sind dabei ein immer wichtigerer Begleiter der Industrie. Sie entwickeln Software und Webseiten, bieten Lösungen für vernetzte Produktionen und betreiben Datenverarbeitung und Hosting-Dienste.

Die Beschäftigtenzahlen der IT-Branche steigen stetig. Deutschlandweit sind hier bereits 2,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu finden. In Berlin sind es 3,3 Prozent – in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern derzeit 0,9 Prozent. Bei den absoluten Unternehmenszahlen der IT-Dienstleistungsbranche ist Berlin im Jahr 2018 mit 7.100 Unternehmen führend in Ostdeutschland, Sachsen folgt mit 2.916 auf dem zweiten Platz.

Die Anzahl der akademischen Informatikabschlüsse betrug 2018 deutschlandweit 63,3 je 100.000 Erwerbstätige. In den neuen Bundesländern liegt dieser Wert zwischen 31,9 in Brandenburg und 56 in Sachsen.

Innovative Industrien –
Alles andere als Standard

Innovative Industrien gestalten vorrangig individuelle Lösungen jenseits der gängigen Standards. Besonders wichtige Partner der Industrie sind dabei Beratungsunternehmen. Sie helfen, die Produktion intelligent zu gestalten, neue Geschäftsmodelle zu etablieren und global zu kooperieren. Sie analysieren Markttrends, optimieren Unternehmensfunktionen und begleiten bei Veränderungsprozessen.
An einigen Standorten, insbesondere in den urbanen Zentren, bilden Beratungsunternehmen regionale Cluster. Spitzenreiter ist die Metropole Berlin. In Ostdeutschland schneiden auch Dresden, Jena und Leipzig gut ab. In ländlichen Regionen sind Beratungsunternehmen deutlich schwächer vertreten.

Kreativwirtschaft mit großen Potenzialen

Auch die Kultur- und Kreativwirtschaft wird immer wichtiger für die Industrie. Wird diese Branche noch häufig unter dem Begriff „weicher Standortfaktor“ erwähnt, der eher für attraktives Leben und Wohnen in einer Region steht, birgt sie heute ein reiches Innovationspotenzial für die Industrie. Besonders relevante Partner der Industrie sind Dienstleister aus der Designwirtschaft, dem Werbemarkt und dem Architekturmarkt.

Die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft hatte 2018 einen Anteil von 7,8 Prozent an der Gesamtzahl aller Unternehmen in Deutschland. Rund 1,7 Millionen Erwerbstätige erwirtschafteten einen Umsatz von 168,3 Milliarden Euro. Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und bis zu 2 Millionen Euro Umsatz machen 95 Prozent der Kreativunternehmen aus.

Die Designwirtschaft als wichtiger Partner bei der Entwicklung neuer Produkte hat sich insgesamt in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Deutschlandweit nahm die Anzahl der Unternehmen von etwa 33.900 im Jahr 2003 auf etwa 60.800 im Jahr 2018 zu. Der Umsatz hat sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt. Er betrug im Jahr 2018 etwa 20,5 Milliarden Euro.

Private Industrieforschungseinrichtungen – eine ostdeutsche Spezialität

In der ehemaligen DDR erfolgte die Industrieforschung im Wesentlichen in den Forschungsabteilungen der großen Kombinate. Daneben bestanden auch relativ große, juristisch selbständige Industrieforschungseinrichtungen, die den Kombinaten zugeordnet waren. Hier waren ca. 15.700 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (20% des FuE-Personals der Wirtschaft der DDR) tätig. Im Zuge der Privatisierung dieser Einrichtungen entstanden zahlreiche private Industrieforschungs-GmbHs. Diese häufig aus der Not entstanden Unternehmen nehmen heute eine wichtige Funktion als FuE-Dienstleister wahr. Die Industrieforschungs-GmbHs sind eine Besonderheit des ostdeutschen Innovationssystems. Beispiel ist die Entstehung des Sächsischen Textilforschungsinstituts (STFI) in Chemnitz (vgl. hierzu auch den Abschnitt „Zukunftsfähige Lösungen durch Innovation).

In Westdeutschland existieren vergleichbare Institute, häufig auch mit dem Status der Gemeinnützigkeit, aber in deutlich geringerer Zahl

Gut und pünktlich ankommen – Logistikdienstleister halten Wirtschaft am Laufen

Häfen, Flughäfen und Güterverkehrszentren (GVZ) ermöglichen auf der Straße und der Schiene, im Luftverkehr sowie in der See- und Binnenschifffahrt einen effizienten, schnellen und termingetreuen Warentransport.

Der Flughafen Leipzig/Halle und die Seehäfen Rostock und Saßnitz sind die „Tore zur Welt“ Ostdeutschlands. Der Flughafen Leipzig/Halle verzeichnete ab dem Jahr 2008 einen rasanten Aufschwung im Luftfrachtaufkommen, nachdem DHL sein internationales Drehkreuz von Brüssel nach Mitteldeutschland verlagert hatte. Seit 2011 belegt der Flughafen die zweite Position in Deutschland hinter Frankfurt/M. mit derzeit mehr als einer Millionen Tonnen Fracht pro Jahr.

Transportketten im Osten bauen zudem auf einer Kette exzellenter, im europäischen Kontext Maßstäbe setzender Güterverkehrszentren (GVZ) auf – dazu zählen unter anderem Berlin Süd Großbeeren, Berlin West Wustermark, Leipzig und Erfurt. Im Deutschland-Ranking der Deutschen GVZ-Gesellschaft 2012 befanden sich neun ostdeutsche Güterverkehrszentren unter den deutschen Top 20, im Europaranking 2020 platzierten sich vier ostdeutsche GVZ unter den 20 besten europäischen Logistikzentren. Zu den ausgewiesenen Stärken der GVZ in Ostdeutschland zählen neben ihrer zentralen Lage und guten Verkehrsanbindung dezidiert ihre intermodalen Hubfunktionen und umfassenden Serviceangebote. Zu den Schwächen zählen u.a. teilweise fehlende Ausbau- und Erweiterungsoptionen aufgrund von Flächenknappheit und ihre teilweise relativ geringe Loco-Quote (d.h. geringe Wirtschaftskraft in der Region).

Die Logistikbranche schätzte 2019 die Region Halle/Leipzig unter den Top 4 der Regionen in Deutschland hinsichtlich ihrer Entwicklungsdynamik ein, der Großraum Berlin landete im Mittelfeld, die Region Ostsee allerdings abgeschlagen auf dem letzten Platz. In Folge der Ansiedlung von Tesla in Grünheide könnte allerdings in den kommenden Jahren der Großraum Berlin einen Boom auch in der Logistikbranche erleben – schließlich muss Teslas Gigafabrik auch pünktlich beliefert und die fertigen Fahrzeuge zügig abtransportiert werden.

Beispiele

CargoOne aus Berlin

Das Startup CargoOne vermittelt zwischen Speditionsunternehmen, die Luftfracht transportieren wollen, und Fluggesellschaften mit freien Kapazitäten. Dazu hat das Unternehmen eine digitale Plattform für Vermarktung und Buchung entwickelt und bereits zwölf Airlines als Partner gewonnen (u.a. Lufthansa, TAP, Etihad). Das Logistik-Startup hat im Sommer 2020 in einer Finanzierungsrunde 16 Millionen Euro eingenommen, um weitere Partnerairlines zu gewinnen und nach Asien und Nordamerika zu expandieren.

CargoLogic Leipzig

Die Frachtfluggesellschaft CargoLogic Germany hat sich auf Expressfracht aus dem Onlinehandel spezialisiert und bewusst den Flughafen Leipzig /Halle als Basis gewählt. Der Flughafen ist gemessen am Frachtaufkommen nach Frankfurt am Main Deutschlands größtes Warendrehkreuz. Die Fluggesellschaft mit Sitz in Schkeuditz, Sachsen, nutzt zu Frachtflugzeugen umgebaute ehemalige Passagiermaschinen vom Typ Boing 737-400 F.
Zitat von Dierk Näther, Geschäftsführer CargoLogic Germany, veröffentlicht in AERO International, 10/2020, Seite 21:
„Leipzig/Halle hat im Segment der Expressluftfracht einen sehr guten Ruf. Viele Dienstleister haben sich in der Region um und am Flughafen angesiedelt, und diese Entwicklung wird weitergehen. Der Standort liegt sehr zentral im Schnittpunkt wichtiger Verkehrsachsen zwischen Nord-Süd und Ost-West. Darüber hinaus bietet der Flughafen hervorragende infrastrukturelle Voraussetzungen für die Ansiedlung einer Frachtairline“.

Kurz erklärt

„Was ist ein Güterverkehrszentrum?“

Unter einem Güterverkehrszentrum (GVZ) versteht man Logistikzentren, in denen Güter zwischen unterschiedlichen Verkehrsträgern umgeladen, für Ladungen zusammengestellt, neu kommissioniert und für Transportfahrten vorbereitet werden. Der Güterumschlag erfolgt in den meisten Zentren zwischen Straße und Schiene, manche haben darüber hinaus auch direkte Flughafen-, Wasserstraßen- oder Seehafenanbindungen. Neben den eigentlichen Umschlagseinrichtungen bieten GVZ in der Regel auch weitergehende Dienstleistungen an wie Reparatur- und Reinigungsdienste, Übernachtungsmöglichkeiten oder Zoll- und Güterabfertigungsleistungen. GVZ werden von einem Betreiber verantwortet, wobei manche in öffentlicher, andere in privater und wiederum andere in öffentlich-privater Trägerschaft sind. Im Unterschied zu Logistikstandorten einzelner Unternehmen oder Speditionen können die Dienste der GVZ diskriminierungsfrei von allen interessierten Akteuren genutzt werden.