Perspektiven der industriellen Entwicklung in Ostdeutschland

Die Industrie in den neuen Bundesländern hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Nach dem Einbruch der industriellen Produktion Anfang der 1990er Jahre verfügt Ostdeutschland heute über eine wettbewerbsfähige industrielle Basis aus einer Vielzahl kleiner und mittelgroßer Betriebe und einigen größeren Unternehmen. Die Industrie ist Wachstumsmotor für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands.

Die Aussichten für die ostdeutschen Industrie sind auch für die Zukunft recht gut. Maschinenbau, chemische Industrie, Elektroindustrie oder Automobilbau wachsen überdurchschnittlich. Moderne Technologien wie die Elektromobilität oder die Mikrochip-Herstellung gewinnen an Bedeutung. Hochspezialisierte Dienstleistungen wie Beratung, Logistik oder Engineering sind Teil dieser positiven Entwicklung und bilden einen Industrie-Dienstleistungs-Verbund, der heute bereits etwa ein Viertel der Bruttowertschöpfung umfasst.

Das ist die Grundlage, auf der sich der Industrialisierungsprozess weiter entfalten kann. Dabei gilt es, die nach wie vor noch vorhandenen Schwächen genau zu beobachten und weiter abzubauen. Das betrifft insbesondere die niedrigere Produktivität der ostdeutschen Industrie. Sie liegt erst bei 70 Prozent der westdeutschen. Eine Erklärung dafür ist der Mangel an größeren Unternehmen und Branchenschwerpunkten. Dies ist aber nicht der einzige Grund. Auch vergleichbare kleine und mittelgroße Betriebe weisen zum Teil eine geringere Produktivität als ihre westdeutschen Pendants auf.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Sie liegen u.a. in einer vergleichsweise niedrigen unternehmensgetragenen Forschungs- und Entwicklungsleistung, einer schwächeren Einbindung in internationale Märkte und globale Wertschöpfungsketten sowie dem derzeitigen Entwicklungsstand von Digitalisierung und Strategie- und Geschäftsmodellen. Mehr Informationen über Stärken und Schwächen der ostdeutschen Industrie finden sich in Diagnose: Ostdeutsche Industrie 2021.

Generell heißt das: Erfolge weiter verstärken und Schwächen abbauen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf neue Technologien (Game Changer) und die Entwicklung von nachhaltigen Produktions- und Geschäftsmodellen mit klimaschonenden Produkten und Verfahren. Hier liegen Chancen und Herausforderungen dicht zusammen.

Was ist zu tun?

Damit die ostdeutsche Industrie auch in Zukunft Motor von Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand bleibt, stehen ihr einerseits viele Möglichkeiten und Wege offen. Andererseits müssen vielfältige Aufgaben und Herausforderungen bewältigt und in neue Entwicklungschancen verwandelt werden.

Die Maßnahmen reichen allgemein von der Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bis hin zur Orientierung auf Wachstumsmärkte und neue Technologien und einer konsequenten Digitalisierung. Besonders wichtig sind Ausbildung und Qualifikation, um neue Technologien einführen und anwenden zu können und um dem demografisch bedingten Fachkräftemangel vorzubeugen. Nicht zuletzt bieten innovative Konzepte der Kooperation Möglichkeiten, um den speziellen Nachteil der Kleinteiligkeit der ostdeutschen Industrie zu überwinden. Eine besondere Herausforderung wird in den nächsten Jahren der Klimawandel sein. Die Industrie muss sich wie alle anderen Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft auf nachhaltige Produktionsprozesse und Produkte einstellen. Themen wie Kreislaufwirtschaft, neue Produktionsverfahren, wie z.B. der Einsatz von grünem Wasserstoff, oder die konsequente Digitalisierung zur Einsparung von Ressourcen gewinnen an Bedeutung und sind industriepolitisch von großer Bedeutung.

Um aus dieser Lage gute Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln bedarf es eines ausgewogenen Konzepts mit vielfältigen Maßnahmen auf der Grundlage eines breiten Bündnisses von Akteuren.
Dabei kommt es einerseits auf individuelle Antworten der Unternehmen an, die ein hohes Maß an Qualität des Managements und der Führungskräfte erfordern. Und es kommt zugleich auf unterstützende und stärkende Maßnahmen aus Politik und Wissenschaft an.

Die Industrieunternehmen stehen vor einem tiefgreifenden Wandel hin zu mehr Digitalisierung und Klimaschutz. Technologien, die langfristige Wachstumszyklen generieren und in die Breite wirken, entscheiden mit darüber, ob wir Wohlstand und Beschäftigung sichern und ausbauen können. Industriestrategie 2030 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

Industrie-Diamant: Industriepolitischer Gesamtrahmen

Bevor einzelne Maßnahmen ergriffen, Investitionsprogramme aufgestellt oder ganz spezifische Strategien geschmiedet werden, sollten die Aufgabenstellungen zunächst in einen Gesamtrahmen gebracht werden. Der Industrie-Diamant ist ein solcher Gesamtrahmen, der die vielfältigen Aufgaben sichtbar macht. Er hebt vier große Facetten hervor, die generell für erfolgreiches Industriewachstum in einer komplexen Wirtschaft eine wesentliche Rolle spielen^[1]

Bild vergrößern

(Facette Nr. 1) Hohe Qualität der Produktionsfaktoren
Infrastruktur, Qualität und Kosten der Fachkräfte, Steuern und Abgaben, Energiepreise, Förderprogramme, Toleranz und Offenheit der Regionen für Diversität und Unterstützung beim Strukturwandel – je besser die Qualität, die Verfügbarkeit und Spezialisierung des Infrastruktur-, Human- und Industriekapitals ist, desto höher werden Produktivität, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sein.

(Facette Nr. 2) Firmenstrategien und Wettbewerb
Geschäftsmodelle, Führungsqualitäten und unternehmerische Kompetenzen, Risikobereitschaft, Planungsvermögen, Innovationskompetenz und Orientierung an internationaler Konkurrenzfähigkeit – je stärker sich Unternehmen wettbewerblich ausrichten, desto größer wird der Wachstumserfolg sein.

(Facette Nr. 3) Kooperation, Netzwerke und Wertschöpfungsketten
Einbettung der ostdeutschen Betriebe in regionale Netzwerke verwandter Firmen, Branchen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie Fördereinrichtungen; Vernetzung von Leistungen entlang von Wertschöpfungsketten und offenen Innovationssystemen – je besser die Integration in Netzwerke, Cluster und Wertschöpfungsketten gelingt, um so größer sind die Entwicklungschancen.

(Facette Nr. 4) Orientierung auf Wachstumsfelder und neue Technologien
Orientierung auf wachsende Märkte, Geschäftskunden und Verbraucher; Orientierung auf Qualität, Design, Lieferbedingungen, Umwelt-, Gesundheits- und Servicestandards – und heute mehr denn je spielt Orientierung auf neue Technologien, Zukunftsfelder der Industrie und die Game Changer-Technologien eine wichtige Rolle, um Anschluss und Exzellenz auf den Zukunftsmärkten zu sichern.

Bemerkenswert ist, dass dieser Gesamtrahmen hohen Wert auf „weiche“ Produktionsfaktoren legt – wie Kompetenzen und Professionalität der Unternehmen oder auch innovative Prozesse und kreative Milieus einer Region. Diese stehen üblicherweise nicht im Mittelpunkt von Förder- bzw. Industriepolitik.

Übertragen auf die ostdeutsche Industrie macht der Industriediamant folgende Stärken und Schwächen der ostdeutschen Industrie deutlich:

Bild vergrößern

Eine Strategie für eine erfolgreiche Industrialisierung darf sich nicht auf Rahmenbedingungen beschränken. Gleichwohl definieren Rahmenbedingungen einen Raum sowohl für technologische Entwicklungsaktivitäten wie auch nicht-technologische Aspekte, in dem sich die Industrie weiterentwickeln kann. Dazu müssen Ziele definiert werden, um auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu antworten. Diese Ziele sollen nicht nur als Aufgaben der Unternehmen verstanden werden, sondern alle relevanten Akteure einbeziehen.

Elemente für die Stärkung der industriellen Entwicklung in Ostdeutschland

Wie können die Herausforderungen der ostdeutschen Industrie in Zukunft konkret bewältigt werden? Was sind Ansatzpunkte und worauf sollte besonderes Gewicht gelegt werden? Das Modell des Industriediamanten zeigt, welche Stärken die ostdeutsche Industrie nutzen und welche Schwächen sie dafür reduzieren muss. Im Folgenden werden sieben Elemente exemplarisch für eine zukunftsgerichtete ostdeutsche Industrie näher beschrieben:

• auf neue Technologien und Digitalisierung orientieren (Facette Nr. 4 des Industrie-Diamanten)
• gezielt Wachstumsmärkte besetzen und global agieren (Facette Nr. 4 des Industrie-Diamanten)
• Entrepreneurship und Unternehmergeist fördern (Facette Nr. 2 des Industrie-Diamanten)
• Netzwerken beitreten und Cluster stärken (Facette Nr. 3 des Industrie-Diamanten)
• Start-ups und Gründer-Ökosysteme fördern (Facette Nr. 2 des Industrie-Diamanten)
• Wachstumspotenziale der Clean Economy nutzen (Facette Nr. 4 des Industrie-Diamanten)
• Regionale Leitbilder mit Fokus auf wirtschaftlicher Spezialisierung erstellen (Facetten Nr. 2 und 4 des Industrie-Diamanten).

Auf neue Technologien und Digitalisierung orientieren

Innovationen sind wichtige Treiber der Industrialisierung – eine geringe Innovationsleistung geht hingegen gemeinhin Hand in Hand mit geringer industrieller Entwicklungsdynamik. Neue Technologien sind für Innovationen besonders interessant – sie haben das Potenzial, Game-Changer zu sein. Disruptive Innovationen und Technologien waren stets Auslöser starker Wachstumsprozesse. Derzeit macht die Industrie weltweit einen fundamentalen Strukturwandel durch, der durch neue wegweisende Technologien getrieben wird. In den Firmenstrategien sollten daher neue Technologien besonders berücksichtigt werden, sei es im Produktportfolio oder in den Produktionsprozessen. Wichtig ist auch die Bündelung der Kräfte verschiedener Akteure in Netzwerken, Kooperationen oder Clustern, damit sie mit ihren spezifischen Kompetenzen sowohl Entwicklungs-, Anwendungs- wie auch Vermarktungsprozesse beschleunigen können. Entsprechend sollten die neuen Länder bei der Förderung neuer Technologien und in den aktuellen industrierelevanten Programmen berücksichtigt werden.

Beispiel: Wasserstofftechnologie in Sachsen
In Sachsen hat sich in den vergangenen Jahren eine starke Szene für Wasserstofftechnologie entwickelt. Davon überzeugten das Innovationscluster „HZwo – Antrieb für Sachsen“, Unternehmen wie BMW und der Automobilzulieferer Vitesco Technologies sowie Forschungsreinrichtungen wie die Technischen Universitäten in Chemnitz und Dresden, die Fraunhofer-Gesellschaft und nicht zuletzt eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen mit ihrem Konzept für ein Nationales Wasserstoffzentrum. Unter dem Namen „Hydrogen and Mobility Innovation Center“ – kurz HIC – konnten sie sich erfolgreich in der ersten Auswahlrunde durchsetzen. In der zweiten Phase folgen Machbarkeitsstudien für die drei Finalisten.

Die Beteiligten im HIC verfügen über eine ausgewiesene Expertise für Wasserstofftechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das Nationale Zentrum soll künftig die Wasserstoffmobilität aus der Forschung und der Kleinserie in die breite Anwendung befördern.

Gezielt Wachstumsmärkte besetzen und global agieren

Die Industrie in den neuen Bundesländern braucht neue Wachstumsmärkte. Sie sollte andere, neue und größere Märkte besetzen, die Diversität der Absatzmärkte erhöhen und so die Abhängigkeit vom Heimatmarkt reduzieren. Sie sollte danach streben, eine globale Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, um Entwicklungen zu befördern. Die Qualität von Produktionsfaktoren, wie z. B. qualifizierte Arbeitskräfte, spielt eine wichtige und positive Rolle. Außenwirtschaftsorientierung ist häufig notwendig, um sich weiterzuentwickeln, auf der anderen Seite verlangt dies Ressourcen, die insb. den KMUs oft fehlen. Die Orientierung auf Wachstumsmärkte sollte ein Teil der strategischen Ausrichtung der Unternehmen werden, wobei die fehlende kritische Masse durch gezielte Vernetzung, z.B. innerhalb einer Wertschöpfungskette, erreicht werden kann. Die ostdeutsche Industrie sollte ihre Stärken in Bezug auf Wachstumsmärkte in Verbindung mit neuen Technologien ausspielen und zukunftsweisende Felder und Nischen besetzen.

Beispiel: Exportstrategie für mittelständische Unternehmen
Das Portfolio der Außenwirtschaftsförderung bietet zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte. Dazu zählen beispielsweise das Markterschließungsprogramm und die Informationsangebote der bundeseigenen Germany Trade and Invest (GTAI) und der regionalen Wirtschaftsfördergesellschaften und nicht zuletzt das weltweite Netz der Außenhandelskammern. Nichtsdestotrotz, die Verantwortung und auch das Risiko liegen bei den Unternehmen. Bewährt haben sich für mittelständische Unternehmen folgende Elemente einer Exportstrategie:

• klare Ziele für das Auslandsgeschäft formulieren: was mit einem Kunden im Ausland beginnt, kann schnell weitere Geschäftsbeziehungen nach sich ziehen. Spätestens dann sollten strategische Überlegungen angestellt werden, um den “Zufallsmarkt” nachhaltig zu erschließen.
• Markt-und Wettbewerbssituation analysieren: wer das Potenzial ausländischer Märkte einschätzen und nach attraktiven Märkten filtern möchte, muss kontinuierlich beobachten. Grundsätzlich gilt dabei: „Es sollte in dem Wald gejagt werden, in dem auch Wild ist.“
• Produktakzeptanz in ausländischem Markt überprüfen: Der Rückschluss vom eigenen Markt auf den Auslandsmarkt führt häufig zu Fehleinschätzungen.
• Investitionsbedarf realistisch kalkulieren: Die Kosten eines Auslandsengagements werden häufig unterschätzt. Kooperationen mit anderen KMU, Huckepackstrategien mit Großunternehmen oder Joint Ventures mit ausländischen Firmen können die Finanzierung erleichtern.
• Interkulturelle Kompetenz des Personals stärken: Interkulturelle Ausbildung und Einbindung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die für den Auslandseinsatz vorgesehen sind, sind unverzichtbare Bedingungen einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie
• Internationalisierung als Chefsache denken: Internationales Engagement sollte in der Unternehmensstrategie verankert sein. Eine Exportabteilung als bloßes “Anhängsel” an den Inlandsvertrieb kann das Potential von Auslandsmärkten kaum ausschöpfen.

Entrepreneurship und Unternehmergeist fördern

Management, Firmenstrategien und Geschäftsmodelle sind zentrale Stellschrauben für die Entwicklung der ostdeutschen Industrie. In Verbindung mit verbesserten Prozessketten bringen sie u.a. die digitale Transformation von Arbeit und Produktion voran. Um den Unternehmergeist in reale innovative und zukunftsorientierte Produkte umzuwandeln und eine neue wirtschaftliche Dynamik in der ostdeutschen Industrie zu determinieren, sollten einerseits die hierfür notwendigen Rahmenbedingungen verbessert werden. Ein Beispiel dafür ist das Förderprogramm go-digital des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es fördert Beratungsleistungen durch autorisierte Beratungsunternehmen in den Modulen „Digitalisierte Geschäftsprozesse“, „Digitale Markterschließung“ und „IT-Sicherheit“ in Unternehmen. Daneben setzt das Förderprogramm „Digital Jetzt“ investive Anreize für den Erwerb digitaler Technologien sowie für die entsprechende Qualifizierung der Beschäftigten.

Andererseits tragen die Unternehmen Verantwortung, ihre Firmenstrategien und Geschäftsmodelle so zu entwickeln, dass sie agil neue Märkte erschließen und auf Veränderungen reagieren können. Ein ausgeprägter Unternehmergeist sollte in der Gesamtstruktur der Firmen etabliert und gezielt gefördert werden. Um das zu erreichen, ist eine gewisse Managementphilosophie notwendig, die diese Prozesse unterstützt.

Beispiel: DIALOG „Unternehmen wachsen“
DIALOG „Unternehmen wachsen“ ist ein Vernetzungsangebot in Ostdeutschland, das in den vergangenen Jahren Unternehmenswachstum angeregt hat. Die Initiative des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer brachte Unternehmerinnen und Unternehmer ins Gespräch und berichtete über erfolgreiche Wachstumsgeschichten und Unternehmensstrategien.

Netzwerken beitreten und Cluster stärken

Die Stärkung von Netzwerken und Clustern leistet einen signifikanten Beitrag zur regionalen Profilbildung. Vorhandene Einrichtungen sollten zu Kernzellen von Clustern und Netzwerken weiterentwickelt und mit operationellen Elementen wie Start-ups- und Netzwerkmanagementeinrichtung ausgestattet werden. Forschungseinrichtungen sollten entsprechend ausgebaut werden. Netzwerkstrukturen mit einer zentralen Geschäftsstelle als One-Stop-Shop durch aktive Teilnahme zu schaffen, ist die Aufgabe der Firmen. Die Politik sollte ihrerseits die Netzwerke und Cluster stärken durch gezielte Förderung und Ausrüstung mit entsprechenden Instrumenten.

Durch Netzwerke und Cluster kann dem strukturellen Nachteil der Kleinteiligkeit in der ostdeutschen Industrie entgegengewirkt werden. Mit Erreichen einer kritischen Masse steigen die Chancen, in Liefernetzwerken und Wertschöpfungsketten präsent zu sein.

Beispiel: OptoNet
OptoNet vernetzt mehr als 100 Akteure in der Thüringer Photonikbranche – überwiegend kleine und mittlere Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die Clusterakteure entwickeln gemeinsam Strategien, um u.a. den Standort Thüringen für Photonik national und international zu stärken, den Nachwuchs zu fördern und Belange der Branche in entsprechende Strategieprozesse auf Landes-, Bundes- und Europaebene einzubringen. Das Cluster erhebt seit 2001 detaillierte Branchendaten und veröffentlicht diese im OptoNet Branchenbericht.

Start-ups und Gründer-Ökosysteme fördern

Bislang konzentriert sich die ostdeutsche Gründungszene in Berlin und in den Ballungsräumen. Start-ups sind Impulsgeber für innovationsgetriebene Volkswirtschaften mit vielen positiven Effekten. Entsprechend sollten Gründer-Ökosysteme gefördert und ausgebaut werden – insbesondere jenseits der Ballungsräume. Innovations- und Gründerzentren sind wichtige Werkzeuge, um innovative und produktive Gründer-Ökosysteme aufzubauen.

Problematisch für Start-ups ist häufig der mangelnde Zugang zu Venture Kapital und Bankkrediten. Hier kann die Politik förderliche Rahmenbedingungen unterstützen, u.a. durch Ausfallbürgschaften sowie eine leichtere und flexiblere Vergabe von KfW-Krediten.

Beispiel: Best Practice Gründungsökosysteme in den neuen Bundesländern
Mehr Startups und Unternehmensgründungen in den neuen Bundesländern – das ist das Ziel des Modellvorhabens „Best Practice Gründungsökosysteme in den neuen Bundesländern“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Insgesamt zwölf Initiativen werden unterstützt. Gegenstand des Modellvorhabens ist die Entwicklung und Stärkung von Gründernetzwerken in den neuen Bundesländern. In diesen Gründernetzwerken werden Gründerinnen und Gründer untereinander, mit der Wissenschaft und Bildung, der Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung und den Unterstützern vor Ort zusammengebracht.

Bild vergrößern

Wachstumspotenziale der Clean Economy nutzen

Die Umstellung auf eine klima- und ressourcenschonende Produktion ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Gestaltung der Zukunftsindustrie. Die Clean Economy hat große Wachstumspotenziale. Zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Ostdeutschland sind Spezialisten der Kreislaufwirtschaft. Ihre Erfahrung u.a. in den Bereichen Umweltsanierung, Recycling, Altlastensanierung, Flächenrecycling und Wasserbehandlung sollten sie nutzen, um verstärkt international zu agieren.

Deutschland hat ehrgeizige Ziele in der Klimapolitik. Schon heute sind viele Firmen führend, weil der deutsche Markt mit hohen Umweltauflagen fordernd ist. Diese Vorteile gilt es für den Weltmarkt nutzbar zu machen und möglichst in Form von Technologien, Produkten und Dienstleistungen zu kapitalisieren.

Beispiel: CLEANTECH Initiative Ostdeutschland (CIO)
Die CLEANTECH Initiative Ostdeutschland ist eine Dachorganisation für Unternehmen der Cleantech-Branche aus den fünf neuen Bundesländern und Berlin.
Sie vernetzt Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Fachverbände und Institutionen in den Bereichen umweltfreundliche Energien und Energiespeicherung, nachhaltige Wasserwirtschaft, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft, Rohstoff- und Materialeffizienz und nachhaltige Mobilität. Die Initiative will die vorhandenen Potenziale und Erfahrungen branchen- und länderübergreifend bündeln, damit den wirtschaftlichen Erfolg und die Exportstärke der beteiligten Unternehmen fördern.

Regionale Leitbilder mit Fokus auf wirtschaftlicher Spezialisierung erstellen

Die Bundesländer entwickeln Spezialisierungsstrategien, die ausgehend von den regionalen Kompetenzen eine gezielte Strukturwandelpolitik ermöglichen und Innovationen fördern. Auf Basis vorhandener Potenziale und in Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen, Landkreisen, Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Akteuren sollen zukunftsgerichtete Wirtschaftsregionen mit neuen Wertschöpfungsketten aufgebaut werden. Dieses Prinzip der Smart Specialisation kann auf das Bundesland, aber auch auf Landkreise und Kommunen bezogen werden. Die Bundesländer haben ihre Prioritäten im Rahmen der Regionalen Innovationsstrategie für intelligente Spezialisierung (RIS3) auf Initiative der Europäischen Kommission formuliert.

_{*Berlin-Brandenburg haben eine gemeinsame Strategie; die Einträge zählen daher doppelt für das Gesamtergebnis.}

Ostdeutsche Regionen wie die Lausitz, die in besonderem Maße vom Strukturwandel betroffen sind, suchen nach regionalspezifischen Antworten auf die Frage: Wie kann die Industrie zukunftssicher und nachhaltig ausrichtet werden? Konjunkturpakete sollten gezielt zur Beschleunigung des Strukturwandels hin zu einer regionalspezifischen, nachhaltigen und umweltverträglichen Wirtschaftsaktivität aufgesetzt werden. Ein solcher „Green New Deal“ kombiniert ökonomische und ökologische Ziele.

Industriestrategien von Bund und Ländern

Es gibt zahlreiche Beispiele für industriepolitische Strategien, die sowohl innovatives individuelles als auch kooperatives industriepolitisches Denken und Handeln anregen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat 2019 Leitlinien für industriepolitisches Handeln in seiner „Industriestrategie 2030“ für ganz Deutschland formuliert. Gewicht wird insbesondere auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Mobilisierung privaten Kapitals und die Wahrung der technologischen Souveränität gelegt. Die Industriestrategie 2030 liefert wertvolle Orientierungspunkte für die industrielle Entwicklung in Ostdeutschland. Auch einige Bundesländer haben konkrete industriepolitische Konzepte erarbeitet.

Wichtige Programme zur Förderung der industriellen Entwicklung

Gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen
Die Bundesregierung bietet eine Reihe von Hilfen an. Zu den wichtigsten zählt das neue Fördersystem für strukturschwache Regionen in Deutschland. Nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II Ende 2019 hat die Bundesregierung in intensiver Abstimmung mit den Ländern das Programm beschlossen, das seit Anfang 2020 in Kraft ist. Es umfasst 20 verschiedene Programme. Konkret gefördert werden unter anderem Investitionen, Innovationen, Internationalisierung, Gründungen und Fachkräfteinitiativen, Breitbandausbau und digitale Entwicklung, sowie städtebauliche Entwicklungen oder Projekte zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts.

Strukturwandel in den Kohleregionen
Speziell für die Braunkohleregionen Lausitz und Mitteldeutsches Revier ist ein umfangreiches Rahmenprogramm mit den betroffenen Ländern vereinbart worden, um den schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohleindustrie und den Übergang in moderne und wettbewerbsfähige Industrieregionen zu unterstützen.

Zahlreiche weitere Förderprogramme
Darüber hinaus steht eine große Zahl an weiteren Wirtschaftsförderprogrammen zur Verfügung. Die Förderung zielt auf die Stärkung von Investitionen und Innovationen, die Erschließung weltweiter Absatzmärkte, die Sicherung von Fachkräften, die Kooperation von Unternehmen untereinander und mit wissenschaftlichen Einrichtungen und nicht zuletzt auf eine kompetente Hilfe und Beratung für Existenzgründungen.

Gute Übersichten über die verschiedenen Programme bietet die Förderdatenbank des Bundes. Sie ermöglicht einen Überblick über alle Förderprogramme des Bundes, der Länder und der Europäischen Union mit passgenauer Suchfunktion (z.B. Industrie).

Die Förderfibel für die neuen Länder weist auf spezifische Programme in Ostdeutschland hin.

Fach- und Technologieprogramme
Auf der Website des BMWK finden sich zahlreiche weitere Hinweise auf konkrete Fach- und Technologieprogramme für die Industrie von Industrie 4.0, über spezielle Branchenprogramme (Luftfahrtprogramm Lufo) bis hin zu den neuesten Themen Wasserstoffstrategie oder den Programmen zur Förderung der Elektromobilität oder Erneuerbare Energien.

Das Programm „Important Project of Common European Interest“ ist ein transnationales Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse, das mittels staatlicher Förderung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leistet.